Straßennamen

Filmposter mit Hans Albers und Bayume Mohamed Husen im NS-Propagandafilm „Carl Peters – Ein deutsches Schicksal“ von 1941, Wikipedia

Nicht nur auf Grab- und Denkmälern, auch in Straßennamen ehrt Berlin bis heute koloniale Akteure, die im einstigen „Deutsch-Ostafrika“ an schweren Verbrechen beteiligt waren. An erster Stelle ist da die schon seit über drei Jahrzehnten umstrittene „Petersallee“ im sogenannten Afrikanischen Viertel im Wedding (Bezirk Berlin Mitte) zu nennen. Die Straße hieß ursprünglich Londoner Straße. 1939, kurz vor Kriegsbeginn, wurde sie von den Nationalsozialisten umbenannt. Offensichtlich sollte man im größten deutschen Kolonialviertel an die Hauptstadt des imperialen Rivalen nicht mehr erinnert werden. Stattdessen wurde nun Carl Peters (1856-1918) geehrt, der Begründer der Kolonie „Deutsch-Ostafrika“, der am Kilimanjaro bis heute als „mkono wa damu“ (Hand mit Blut) berüchtigt ist. In dessen Taten und Werken sahen die Nationalsozialisten einen Vorläufer und –denker ihrer rassistischen und imperialistischen Ideologie.

Nach einer fragwürdigen „Umwidmung“ 1986, bei welcher der Name „Petersallee“ belassen und nur das Zusatzschild „Prof. Dr. Hans Peters, Stadtverordneter (1896-1966)“ angebracht wurde, erfolgt 2016 endlich der Umbenennungsbeschluß.

Foto: T. Della, 2017

Seit 2018 steht auch fest, dass die Allee in Zukunft in einem Teil „Maji-Maji-Allee“ heißen wird. Damit folgte das Bezirksamt einem Vorschlag des Bündnisses Decolonize Berlin und von Berlin Postkolonial, die sich seit Jahren für dekoloniale Straßenumbenennungen engagieren. Die Straße wird damit in Zukunft an den größten Widerstandskrieg, der je gegen das deutsche Kolonialregime geführt wurde, erinnern. Im Süden des heutigen Tansanias hatten sich 1905-07 nach drastischen Steuererhöhungen und Zwangsmaßnahmen mehr als 20 Gemeinschaften gemeinsam gegen ihre Unterdrücker aus Deutschland erhoben. Was sie verband war das weitergereichte heilige Maji (Kiswahili: Wasser), von dem sie sich Schutz gegen die Kugeln der Deutschen erhofften. Im sogenannten Maji-Maji-Krieg verloren mehr als 100,000 ostafrikanische Kinder, Frauen und Männer ihr Leben.

Gleich zweimal wird in Berlin zudem der Kolonialoffizier Hermann Wissmann (1853-1905) mit Straßennamen geehrt. Bereits 1890 wurde die „Wissmannstraße“ in Rixdorf (Bezirk Berlin-Neukölln) benannt, die im Grunewald folgte acht Jahre darauf. Wissmann war 1884/85 im Auftrag des berüchtigten Herrschers Leopold II. als Kolonisator durch den Kongo gezogen, wobei er sich u.a. zahlreiche bedeutende Kulturobjekte aneignete, die noch heute in Berliner Museen und ihren Depots zu finden sind.

 

Foto: HMJokinen, 2010

Die Stadtväter würdigten in ihm aber vor allem den von Bismark ernannten Reichskommissar für Deutsch-Ostafrika, der 1888 die erste deutsche Kolonialarmee (später „Kaiserliche Schutztruppe“) zusammenstellte. Mit ihr brach Wissmann den Widerstand der Swahili-Küstenbevölkerung und gegen alle Befehle auch der Bewohner*innen von Inlandsgebieten Ostafrikas. Berlin feierte den brutalen Heerführer als Kriegshelden. Kauperts „Straßenführer durch Berlin“ ignoriert diesen Umstand und reiht ihn stattdessen bis heute unter den „wagemutigsten und erfolgreichsten Afrikaforschern“ ein.

Die Bezirke Neukölln und Charlottenburg/Wilmersdorf haben sich mittlerweile entschlossen, Umbenennungsprozesse einzuleiten. Als neue Namensgeberin für die Neuköllner Wissmannstraße schlägt Berlin Postkolonial die tansanische Unabhängigkeitskämpferin und Politikerin Lucy Lameck bzw. die Ngoni-Herrscherin Nkomanile vor. Sie war die einzige Frau unter den mehr als 60 Führern der Wangoni, welche die Deutschen im Zuge des Maji-Maji-Krieges im ostafrikanischen Songea im Februar 1906 erhängen ließen. Heute ist eine Fraueninitiative im südlichen Tansania nach Nkomanile ihr benannt.

Medienspiegel